Westdeutsche Zeitung: SPD gewinnt die Bürgerschaftswahl in Bremen
– von Wolfgang Radau
Auf den ersten Blick wenig Neues in Bremen: Im kleinsten, ärmsten Bundesland wird auch in den kommenden fünf Jahren die SPD regieren, wie immer seit 1946. Wahlsieger Jens Böhrnsen kann sich seinen Junior-Partner aussuchen – neben der Großen Koalition ist nach zwölf Jahren auch Rot-Grün wieder eine Option.
Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sozialdemokraten gegenüber der letzten Bremen-Wahl rund fünf Prozentpunkte verloren haben überwiegend an die Linkspartei. Über dieses Bündnis ziehen nun erstmals Politiker aus dem einstmaligen SED-Lager in ein westdeutsches Landesparlament ein. Das ist die wirklich schlechte Nachricht dieses Wahlabends. Zu allem Überfluss zersplittern zwei Vertreter der „Wut-Partei“ und der rechtsextremen DVU die Bremer Bürgerschaft weiter.
Die Verluste in Bremen dürften SPD-Chef Kurt Beck heute, ein Jahr nach seinem Amtsantritt, die Feierlaune trüben. Bei allen drei Landtagswahlen unter seinem Parteivorsitz lagen die Genossen zwar vorn. Aber seit gestern weiß Beck, dass die Zweifel am politischen Profil der Sozialdemokratie und damit auch an ihm gewichtiger sind, als er bisher einsehen wollte. Auch die CDU hat in Bremen Federn gelassen, was wohl der FDP zum Sprung ins Parlament verholfen hat. Pech für die Liberalen: Sie werden zum Regieren nicht benötigt. Auch wenn die Politik immer wieder neu entdeckt, dass Große Koalitionen die kleineren Parteien stärker machen: Bremen ist und bleibt bundespolitische Provinz. Und so war die Bremen-Wahl auch kein Test für die Akzeptanz der Großen Koalition in Berlin, und auch eine Neuauflage von Rot-Grün an der Weser würde nicht als Probelauf für den Bund taugen. So sehr es einige Genossen jucken mag: Der alte und neue Bürgermeister Böhrnsen ist gut beraten, wenn er nach dem Vorbild Henning Scherfs die größtmögliche Koalition aufbietet, um die Haupt-Probleme Bremens in den Griff zu bekommen:
extreme Verschuldung, horrende Arbeitslosigkeit, beschämende Kinderarmut. Die Rahmenbedingungen sind günstig: Der Konjunktur-Aufschwung wird der pragmatischen Arbeit einer Großen Koalition zugerechnet wer wollte da Experimente wagen und mitten im Strom die Pferde wechseln?