Offenbar Verletzung des Fernmeldegeheimnisses: Die Telekom AG hat in den 90er Jahren Telefonate von Kunden aufzeichnen lassen und damit das Fernmeldegeheimnis verletzt. Dieser Verdacht ergibt sich aus internen Unterlagen des Konzerns, die dem ZDF und der WirtschaftsWoche vorliegen.
Demnach soll die Abhörmaßnahme vom damaligen Vorstand Technische Dienste, Hagen Hultzsch, genehmigt worden sein. Der Vorstand Personal und Recht, Heinz Klinkhammer, soll später versucht haben, das rechtswidrige Vorgehen der Konzernsicherheit zu vertuschen – entgegen der ausdrücklichen Empfehlung von Mitarbeitern im Sicherheitsmanagement der Telekom.
Bei Ermittlungen des Unternehmens gegen mutmaßliche Hacker, die einen Angriff auf die Computersysteme der Telekom verübt haben sollen, gab Vorstandsmitglied Hultzsch nach einem internen Vermerk grünes Licht, „Telefon-Anschlüsse auf Überwachung zu legen“. Er tat dies bei einer Krisensitzung am Abend des 11. Dezember 1996. Zuvor hatte der Justitiar der Telekom die Maßnahme mit Verweis auf den sogenannten „Notwehr“-Paragraphen – § 32 Strafgesetzbuch – gerechtfertigt, um schweren Schaden vom Netz der Telekom abzuwenden.
Nach den internen Dokumenten muss dann Unglaubliches geschehen sein: Am 12. Dezember 1996 habe die Telekom mit der elektronischen Überwachung von vier Telefonnummern im rheinischen Hennef begonnen, die insgesamt drei verdächtigen Personen zugeordnet wurden. Bei den Maßnahmen, die bis zum 16. Dezember 17.29 Uhr liefen, sollen insgesamt knapp 120 Anrufe erfasst worden sein. Dabei wurden offenbar auch die Gesprächsinhalte technisch verfügbar gemacht. Am Freitag, dem 13. Dezember hatten Mitarbeiter der Telekom vergeblich versucht, die Überwachung abzuschalten.
Die Leitungen seien – so heißt es in einem als „streng vertraulich“ eingestuften Vermerk der Telekom – einem externen „Monitoring-Center“ zugeführt worden. Nach den Unterlagen soll es sich um eine Firma für elektronische Dienstleistungen gehandelt haben, zu deren Kunden auch deutsche Sicherheitsbehörden zählen. Nach Beendigung der Operation mit dem Decknamen „Bunny“ entbrannte in der Konzernzentrale Anfang 1997 ein Streit um ihre Rechtmäßigkeit. Experten des Unternehmens hielten sie für einen schweren Verstoß gegen geltendes Recht. Dafür müsse die Telekom bei Bekanntwerden sogar den Verlust ihrer Lizenz befürchten.
Der Konzern sei in jedem Fall verpflichtet, die Aufsichtsbehörden und die Betroffenen über die Abhöraktion zu informieren. Eine solche Informationspflicht jedoch bestritt vor allem der Personalvorstand der Telekom, Heinz Klinkhammer. Dieser Verdacht ergibt sich aus einem geheimen Gesprächsprotokoll vom 21. März 1997. Demnach habe Klinkhammer empfohlen, lieber „gutes Wetter“ bei Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei zu machen und sie von einer „guten und verlässlichen Zusammenarbeit überzeugen“. Dann werde auch „nichts herauskommen, weil keiner etwas ahne“. Im Juni 1997 informierte die Telekom dann doch das Bundesministerium für Post und Telekommunikation über die „telekommunikationsdatenschutzrechtlich relevanten Aufzeichnungsmaßnahmen“.
In einem Antwortschreiben des zuständigen Staatssekretärs im Ministerium, Gerhard Pfeffermann, heißt es: „Ich halte das Vorgehen in Ihrem Unternehmen daher für strafrechtlich in hohem Maße bedenklich.“ Das Ministerium kommt zu dem Schluss, dass die Maßnahmen rechtswidrig waren. Außer dieser Rüge blieb die Aktion aber offenbar strafrechtlich folgenlos. Gegen die beteiligten Mitarbeiter des Konzerns wurde nicht staatsanwaltschaftlich ermittelt. Das Ermittlungsverfahren gegen die vermeintlichen Hacker wurde eingestellt. Die Telekom bestätigte gegenüber dem ZDF die Überwachungsaktion aus dem Jahr 1996: „Angesichts eines nach damaliger Einschätzung unmittelbar drohenden schwersten Eingriffs in die Rechnersysteme der Telekom hielt man wegen der besonderen Eilbedürftigkeit eigene Maßnahmen zur Gefahrenabwehr für unerlässlich“, heißt es in der Stellungnahme. Zu Details wolle man sich jedoch noch nicht äußern. Der ehemalige Vorstand für Technische Dienste, Hagen Hultzsch, der die Maßnahme am Abend des 11. Dezember 1997 genehmigt hatte, wollte sich gegenüber dem Mainzer Sender nicht offiziell äußern.
Andere Beteiligte – insbesondere der ehemalige Personalvorstand Heinz Klinkhammer – reagierten nicht auf die Anfragen des ZDF. Das ZDF berichtet am Abend in „heute“ und im „heute journal“.